Auf meinem Weg, in meiner Küche Fleisch möglichst zu minimieren, habe ich den Ehrgeiz entwickelt, Dinge zu kochen, die auch den letzten Omnivoren nichts an Geschmack (und möglichst auch Haptik) vermissen lassen. Dafür gibt es einige einfache Tricks: für den Geschmack unter anderem einige Zutaten, die das Umami-Erlebnis verstärken.
Lange dachte man, dass der Mensch nur vier Geschmackssinne hat, für süß, sauer, salzig und bitter. Vor etwa 100 Jahren entdeckte der japanische Biochemiker Kikunae Ikeda dann die fünfte Geschmacksnote Umami in der japanischen Dashi-Brühe aus Seetang und Fisch. Umami heißt soviel wie „würzig“, „wohlschmeckend“ oder „köstlich“. Isoliert und konzentriert ist diese Geschmacksnote in dem Stoff Glutaminsäure, der als „Glutamat“ lange einen sehr schlechten Ruf hatte und angeblich das China-Restaurant-Syndrom mit Kopfschmerzen und Übelkeit auslöst.
Klugscheißerei am Rande: „scharf“ schmeckt man nicht über Geschmacks-, sondern über Schmerzrezeptoren – und zu viel scharf überdeckt die anderen Geschmacksnoten. Warum man in heißen Ländern gerne besonders scharf isst, dafür gibt es mehrere Theorien: Eine besagt, dass scharfe Gewürze das Verderben von Nahrungsmitteln verhindern, eine andere meint, dass es den Körper abkühlt, wenn einem wegen des scharfen Essens der Schweiß auf die Stirn tritt oder dass die vermeintliche Hitze im Mund die Hitze draußen weniger schlimm erscheinen lässt. Die dritte behauptet, dass das Schmerzempfinden gleichzeitig auch Endorphine ausschüttet, also Glückshormone. Das sollte dann allerdings auch in kalten Ländern funktionieren, also her mit dem Chili 😉
Hier eine Liste von Zutaten, die unseren Geschmackssinn für Umami ansprechen. Nicht alle davon sind vegan oder vegetarisch. Bei asiatischer Fish-Sauce versteht sich das von selbst, bei anderen sollten überzeugte Veganer sicherheitshalber die Zutatenliste des einzelnen Produkts durchgehen – es können sich auch durch Produktionsverfahren tierische Bestandteile in eigentlich unverdächtige Lebensmittel einschleichen.
Glutamat / MSG bzw. Glutaminsäure: Eine Aminosäure, also ein Grundbaustein für Eiweiße und damit in allem enthalten, was lebt, in Tieren und Pflanzen. Auch wir Menschen stellen sie in unserem Körper selbst her und gerade die Muttermilch enthält besonders viel davon.
In manchen Lebensmitteln ist Glutaminsäure natürlicherweise besonders konzentriert enthalten, z.B. in Parmesan und Gorgonzola, in Pilzen, schwarzen Oliven und Tomaten. Beim Parmesan und anderen Hartkäsesorten liegt das daran, dass diese lang gereift sind und nur noch wenig Feuchtigkeit und dafür um so mehr Geschmack enthalten, bei Oliven, Pilzen und Tomaten wird die Geschmacksnote Umami durch Verarbeiten, Trocknen, Fermentieren oder Konzentrieren verstärkt.
Das synthetisch hergestellte Glutamat hat in manchen Kreisen den Ruf, schädlich für den Menschen zu sein, auf den gleichen, häufig öko-esoterischen Websites wird allerdings Hefeextrakt angepriesen – der seine geschmacksverstärkende Wirkung eben dieser Glutaminsäure verdankt.
Soja-Sauce: Salzt und würzt in einem Schritt. Soja-Sauce beruht auf fermentierten Soja-Bohnen und gehört mit etwa 3000 Jahren Geschichte zu den am längsten benutzten Würzmitteln der Menschheit.
Ein oder zwei Standard-Sorten gibt es inzwischen in jedem Supermarkt, im Asia-Laden findet man unzählige Arten von Sojasaucen: chinesische, japanische und südostasiatische, aus Soja oder verschiedenen Getreidesorten, mit oder ohne Beimengungen von Molasse, Stärke, Pilzen oder anderen Zutaten, mit mehr oder weniger Salzgehalt oder Süße, dunkler oder heller, milder oder heftiger.
Zu Hause haben sollte man zumindest helle Sojasauce zum Dippen und Würzen heller Zutaten und dunkle, kräftige Sojasauce zum Marinieren, für indonesische Gerichte auch gesüßte Ketjap Manis.
Miso-Paste: Die gibt es im Bio- und im Asia-Laden in verschiedenen Qualitäten, Konsistenzen und Geschmacksnoten, von hell bis dunkel-rotbraun. Miso-Paste besteht aus mit einem Schimmelpilz fermentierten Sojabohnen und evt. auch anderen Getreiden, sie schmeckt nussig und ist ziemlich salzig und schon ein kleiner Löffel davon erzeugt in Suppen, Saucen oder Nudelgerichten dieses wohlig-vollmundige Umami-Gefühl. Das funktioniert nicht nur bei asiatischen Gerichten, sondern gibt auch europäischen Speisen manchmal das besondere Etwas.
Hoisin-Sauce: eine chinesische Würzsauce aus der Kanton-Küche. Der Umami-Geschmack stammt aus fermentierten Sojabohnen, dazu kommen Gewürze, Zucker, Knoblauch, Essig und Chilis. In der chinesischen Küche wird die Sauce hauptsächlich für Fleischgerichte verwendet, sie macht sich aber gut auch in einer Vielzahl von vegetarischen Gerichten.
Black-Bean-Sauce: aus fermentierten schwarzen Sojabohnen und häufig Knoblauch. In vielen asiatischen Küchen verwendet.
Tomatenmark / Getrocknete Tomaten: Tomaten enthalten von Natur aus viel Glutaminsäure, die durch das Verarbeiten zu Tomatenmark noch einmal konzentriert wird. Ein Löffel Tomatenmark, am besten kurz angebraten, um die enthaltenen Zucker zu karamellisieren, verstärkt das Umami in vielen Gerichten.
Getrocknete oder gebratene Pilze: Der fleischig-erdige Geschmack vieler Pilzsorten ist auf ihren Gehalt an Glutaminsäure zurückzuführen. Das funktioniert schon mit frischen Pilzen – vegetarische Burger-Patties oder Getreide-Pflanzerl beispielsweise lassen sich mit gebratenen Champignons geschmacklich sehr aufwerten. Noch konzentrierter ist der Umami-Geschmack in getrockneten Pilzen, seien es Steinpilze, Shiitake oder ausgefallenere Sorten. Mit Shiitake lässt sich übrigens eine prima Brühe für vegane Pho herstellen.
Hartkäse: In lange gereiften Käsesorten ist der Umami-Geschmack stark konzentriert.
Tipp: Die harte Rinde von natürlich gereiften Käsen, z. B. von Parmesan, Allgäuer Emmentaler oder Bergkäse kann man in Suppen oder Saucen mitkochen, um diese zu würzen. Diese Käse werden nur wiederholt mit Salzwasser behandelt, um unerwünschte Mikroorganismen im Zaum zu halten. Natürlich darf man auf keinen Fall Käserinden verwenden, die mit Wachs oder Kunststoff überzogen sind oder die mit Natamycin (E 235) haltbar gemacht wurden – bei Biokäse ist dieser Konservierungsstoff verboten. Bei Raclette-Käse gibt es beide Varianten: mit dem Original Schweizer Raclette-Käse kann man nichts falsch machen, die Schale von Industrie-Raclette sollte man aber großzügig abschneiden, weil das Mittel einige Millimeter tief eindringen kann.
Für Pescetarier:
Fish-Sauce: Dafür werden in Südostasien Fische in Salzwasser fermentiert, bis eine braune, pur sehr scharf-fischig riechende Flüssigkeit entsteht. Fügt man sie verschiedenen Gerichten hinzu, geschieht das Wunder, der fischige Geschmack verschwindet im Handumdrehen, dafür wird der Eigengeschmack der Speisen betont.
Nicht nur Südostasien kennt die Fish-Sauce als wichtige Geschmackszutat, auch die Römer schätzten ihr Garum oder Liquamen, das aus mit Salz und Wasser fermentierten Fisch-Innereien bestand. Und noch heute würzt das eine oder andere Sardellenfilet unter Salz italienische Gerichte, bei denen man nicht damit rechnen würde wie z.B. Abbacchio alla Romana, Römisches Milchlamm.
Vietnamesische Fish-Saucen-Marinade / Salatsauce nach Tuyen und Kai
Anchovies: unter Salz oder in Öl haltbar gemacht schmelzen sie in Nudel- oder anderen Saucen dahin und verstärken alle Arten von Geschmack aufs Köstlichste, ohne besonders fischig zu schmecken.
Dashi: Gibt es als Fertigprodukt in Asia-Supermärkten – eigentlich ist damit die japanische Brühe aus Seetang und Fisch gemeint, für die jeder Chefkoch in Japan sein eigenes Rezept hat.
Shrimp-Paste: aus dem Asia-Laden. Shrimp-Pasten gibt es je nach Herkunftsland auf unterschiedliche Arten Varianten fermentiert. Pur für den durchschnittlichen Mitteleuropäer schwer zu riechen, verarbeitet aber ganz köstlich. Andere Varianten von Shrimp-Pasten sind auch in afrikanischen Küchen bekannt und vermutlich in Afrika-Supermärkten erhältlich, die habe ich aber noch nicht probiert.
Getrockneter bzw. gesalzener Fisch: Im Asia-Laden erhält man getrocknete Shrimps, die z. B. eine Rolle in der Füllung der Acht-Juwelen-Ente spielen. In Portugal gibt es viele köstliche Spielarten von Bacalhau, getrocknetem Kabeljau.